Photo: Thomsen Photography
Nachhaltigkeitsfaktor Brownfield-Entwicklung
Fläche ist begrenzt. In Österreich mit rund 83.900 km². Täglich werden unglaubliche 11,5 Hektar österreichischer Boden versiegelt. Die Regierung möchte bis 2030 eine Reduktion auf 2,5 ha schaffen. Die Förderung von Revitalisierung und die Entwicklung von Brownfields wird für dieses Ziel entscheidend sein. Im Folgenden haben wir die wichtigsten Faktoren analysiert, die Leerstandsentwicklungen hemmen bzw. fördern.
Von 2019 bis 2021 wurden im 3-Jahresdurchschnitt 11,5 ha pro Tag an produktiven Böden verloren. An ihre Stelle traten Siedlungen und Verkehr, intensive Erholungsnutzungen, Deponien, Abbauflächen, Kraftwerke und andere Intensivnutzungen. (Bundesumweltamt, Juni 2021).
Um die ambitionierte Zielsetzung der österreichischen Regierung von 9 km² pro Jahr bis 2030 (~ 2,5 ha/Tag) zu erreichen, kann die Entwicklung von Brownfields Teil der Lösung sein.
40.000 Hektar liegen brach
Laut Schätzungen des Umweltbundesamtes liegt die Fläche an ungenutzten Leerstand sowie Industriebrachen in Österreich bei ca. 40.000 Hektar (2017). Diese Flächen nachhaltig zu entwickeln und zu revitalisieren, wirkt nicht nur der fortschreitenden Versiegelung entgegen, sondern wirkt sich auch positiv auf Immobilien im nahen Umfeld oder auf ganze Regionen aus.
Warum trotz einschlägiger Erkenntnisse immer noch die „Grüne Wiese“ als Baufläche bevorzugt wird? Im Folgenden werden die ausschlaggebenden Faktoren genauer betrachtet.
Analyse relevanter Entscheidungsfaktoren
Trotz des interdisziplinären Wissens über die Folgen starker Verbauung, ohne natürliche Ausgleichsflächen oder dem Bewusstsein in der Gesellschaft hemmt der institutionelle Rahmen, wie Raumordnung, fehlende oder auch zum Teil falsch eingesetzte Pull- und Push Faktoren die Revitalisierung von Brachflächen.
Die Bevorzugung der „Grünen Wiese“ als Baufläche gegenüber der Revitalisierung von Brownfields, liegt an mehreren Faktoren, wie auch in der nachfolgenden Matrix ersichtlich.
Zur Strukturierung wurden die relevanten Aspekte, welche eine Brownfield-Entwicklung fördern oder hemmen in politische, rechtliche und ökonomische Faktoren unterteilt. Die politischen Faktoren, welche die Bebauung der „Grünen Wiese“ fördern, werden in dieser Spalte mit einem Plus gekennzeichnet.
Soziale oder ökologische Faktoren befürworten eine Brachflächenentwicklung, sind jedoch (noch) selten ausschlaggebend für den Kauf einer Fläche. Aus dem Grund wurden diese nicht separat betrachtet. Dies hat jedoch nichts mit der Wertigkeit dieser Faktoren zu tun.
Politische Faktoren
Die Kommunalsteuer wird oftmals als Druckmittel gegenüber der kommunalen Politik eingesetzt. Ein Unternehmen möchte sich auf einen speziellen Standort und außerdem auf der „Grünen Wiese“ ansiedeln. Die Kommunalsteuer bildet eine der Haupteinnahmequellen einer Gemeinde und daher ein wesentlicher Faktor für Umwidmungen von Nutz- zu Bauland. Der wirtschaftliche Aspekt beeinflusst hier demnach die nachhaltige Entwicklung negativ.
Förderungen, welche die Bebauung von Grünfläche oder die Reaktivierung von Brownfields forcieren, liegen in der Zuständigkeit der Länder. In Oberösterreich gibt es beispielsweise nur eine Förderung für die Reaktivierung von Vierkanthöfen (Stand August 2022).
Die Flächenwidmung ist in der Verantwortung der Kommunen, welche durch Beschlüsse eine Änderung der Flächenwidmung von Nutz- zu Bauland vornehmen können. Beschränkt sind diese nur bei gewissen speziell deklarierten Flächen wie beispielsweise überregionale Grünzüge.
Die ESG Kriterien (EU Taxonomie) können zukünftig dazu verhelfen, dass Investitionen, die Grünfläche versiegeln, nicht mehr gefördert werden, was die Reaktivierung von Brownfields bevorzugen könnte.
Rechtliche Faktoren
Das Raumordnungsgesetz liegt in der Verantwortung der einzelnen Bundesländer. Eine Regulierung über verpflichtende Mindeststandards durch den Bund wäre aber insofern empfehlenswert, als sie das Erreichen von Nachhaltigkeitsziele für Österreich mess- und planbar macht.
Das Altlastensanierungsgesetz ist ein Bundesgesetz und regelt die Finanzierung und Umsetzung einer Altlastensanierung, welche vor dem Jahr 1989 verursacht wurde. Der Landeshauptmann oder die Landeshauptfrau muss eine solche Verschmutzung melden. Falls ein Grundstück mit einer Altlast saniert bzw. reaktiviert wird, muss die Bereinigung einer verschmutzten Fläche veranlasst werden. Da es häufig sehr ungewiss ist, was man in der Erde findet und wie lange die Beseitigung der Altlast dauert, birgt diese Tatsache ein höheres Risiko für Brownfield-Entwicklung. Aus diesem Grund ist eine Vorrecherche der Fläche sehr wichtig.
Der Denkmalschutz ist ein rechtlicher Faktor, der nur bei Brownfield-Entwicklungen mit Gebäudebestand Kriterien definiert, welche zur Erhaltung des geschützten Gebäudes beitragen. Diese Beschränkung hemmt ebenfalls die Entscheidung ein Brownfield zu entwickeln.
Der Brandschutz muss bei allen Gebäuden eingehalten werden. Jedoch ist es einfacher den Brandschutz bei der Planung eines Gebäudes mitzudenken, als bei einem bestehenden Gebäude zu adaptieren. Somit fördert auch dieser Aspekt eher das Bauen auf der „Grünen Wiese“.
Ökonomische Faktoren
Bei den ökonomischen Faktoren gibt es welche, die eine Brownfield-Entwicklung begünstigen.
Ein Areal, das bereits bebaut wurde, transportiert ebenfalls eine Geschichte. Aus diesem Grund ist es bei Areals- oder Gebäude-Entwicklungen wichtig, eben diese Geschichte zu recherchieren und diese für die Außenwirkung der Fläche oder des Gebäudes auch einzusetzen.
Diese Geschichte schafft Identität bzw. geht es häufig darum diese auch zum Vorschein zu bringen. Häufig gibt es Personen in der Gesellschaft, welche direkt oder indirekt mit dem Areal in Verbindung stehen, wie auch im Falle der Tabakfabrik Linz.
Bei alten Gebäuden oder auch Flächen aus vergangener Zeit ist meist viel Substanz, in jeglichem Sinne, vorhanden. Außer der Immateriellen Schätze ist auch die vorhandene Infrastruktur ein solcher Benefit.
Conclusio
Revitalisierung dürfen nicht mehr teurer als ein Neubau sein. Die Klimakrise erhöht die Brisanz weiter.
Eine wichtige Voraussetzung für die Aufarbeitung der Entwicklung von Brownfields ist eine transparente und zentral gesteuerte Dokumentation und Erfassung von Brownfields, mit und ohne Gebäudebestand. Hierbei muss ebenfalls eine Bestandsbewertung in die Darstellung miteinfließen. Bewertungsfaktoren könnten sein: Anführung der Fläche im Altlastenkataster Zustand der Gebäude auf dem Areal, Vornutzung auf der Fläche, etc.
Bei der Entwicklung eines Brownfield-Areals ist es wichtig, die gesamte Fläche holistisch zu betrachten. Zum einem in Hinblick auf Schwächen und Potentiale des Areals, wie die Durchlüftung, Hitze- und Schattenplätze oder auch angrenzende stark befahrene Straßen, zum anderen auch die Identität, die Bevölkerung mit dem Areal verbindet.
Ein Hemmschuh für die Entwicklung eines Brownfields ist die, zum Teil sehr einfache Umwidmung zu Bauland und der finanzielle Druck, der sich konkurrierend auf die Gemeinden auswirkt. Zusammenschlüsse von Wirtschaftsstandorten- oder räumen können Gemeinden auf dem freien Markt unterstützen.
Steigende Bodenversiegelung und Flächenverdichtung beeinflussen unser Ökosystem und damit die Biodiversität. Außerdem bezieht sich insgesamt die Frage der Klimaresilienz unserer Stadt, unserer Region und unseres Landes auf die Boden- und Flächenentwicklung.
Als Resümee für rechtliche Voraussetzungen einer erfolgreichen Brownfield-Entwicklung wird unter anderem die korrekte beziehungsweise schnelle Abwicklung des Denkmalschutzes oder Brandschutzes eingestuft, da diese die Kosten einer Brownfield-Entwicklung deutlich erhöhen können. Generell sei es wichtig, bereits sehr früh an die Behörden heranzutreten.
Ein großer Bereich ist die politische Verantwortung. Die politische Verlässlichkeit, die Lenkung des sozialen Mehrwerts sowie die Lenkung von Umweltmaßnahmen müssen zentral durch rechtliche oder politische Maßnahmen gelenkt werden.
Die Autorin
Martina Kapsammer, MA studierte Global Studies an der Karl-Franzens-Universität in Graz.
In ihrer wissenschaftlichen Masterarbeit, aus der Disziplin Stadtforschung sowie der Regional- und Stadtentwicklung rund um das Thema Bodenversiegelung und Flächenverdichtung, lag der Schwerpunkt auf der Quartiersentwicklung, der Reaktivierung und Renaturierung von so genannten Brownfields sowie der Verknüpfung dieser beiden Komponenten.
In ihre Arbeit flossen Medienanalysen und Ergebnisse aus qualitativen Interviews mit Stakeholdern aus Politik, Bauwirtschaft, Brownfieldentwicklung, Stadtentwicklung etc. ein.